Extreme Ereignisse, deutliche Gegensätze
Auf der einen Seite eine signifikante Verschlechterung, auf der anderen Seite eine sehr erfreuliche Entwicklung: Die Berichte des Nahverkehr Rheinland (NVR) zur Qualität des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) und der Stationen im Verbandsgebiet klaffen in ihrer Stimmungslage erheblich auseinander. Während außergewöhnlich viele extreme Faktoren – allen voran die Unwetterkatastrophe im Juli 2021 – die Statistik im Hinblick auf Zugverspätungen oder -ausfälle verschlechterten, trugen die gemeinsamen Anstrengungen von NVR und Stationsbetreibern für Bahnhöfe und Haltepunkte sichtbare Früchte.
„Das vergangene Jahr war geprägt vom katastrophalen Unwetter im Juli sowie von den weiterhin anhaltenden Auswirkungen durch die Corona-Pandemie. Von daher können die Ergebnisse nicht mit denen der Jahre zuvor in einen direkten Bezug gesetzt werden. Die Zahl und Komplexität der Baustellen hat sich insbesondere durch die Flutschäden noch einmal gesteigert und bindet bei unseren gemeinsamen Bemühungen mit DB Netz, das Schienennetz fit für die Zukunft zu machen, zwangsläufig Kapazitäten.“
Negative Trendwende bei der Verspätungssituation
Im Jahr 2020 hatten die Expert*innen des NVR eine deutliche Verbesserung der Qualitätswerte, unter anderem der Pünktlichkeit der Züge, festgestellt. Aufgrund des zeitweisen Lockdowns, der Fahrplanausdünnung im Frühjahr und schnellerer Fahrgastwechsel aufgrund der geringeren Auslastung der Fahrzeuge hatte die Coronapandemie 2020 einen positiven Effekt auf die Betriebsqualität. Dass Corona aber auch gegenteilige Auswirkungen bringen kann, machte sich dann 2021 bemerkbar: Neben Flutkatastrophe, Netzüberlastungen, Trassenkonflikten und Verspätungsübertragungen sorgten auch pandemiebedingte Personalausfälle dafür, dass die Qualität des SPNV-Betriebs spürbar abnahm. Hinzu kamen im Raum Köln im Herbst viele Baustellen sowie eine umfangreiche Störung eines elektronischen Stellwerks.
Unwetterbedingter Negativrekord bei den Zugausfällen
In Kombination mit Personalmangel sorgten durch die Corona-Pandemie gestiegene Krankenstände bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen 2021 für einen starken Anstieg der Zugausfälle. Das Unwetter im Juli forcierte diese negative Entwicklung zusätzlich: 32 Prozent der Zugausfälle sind dieser Naturkatastrophe und ihren Folgen zuzuschreiben. Weitere Gründe waren die vermehrt auftretenden Baustellen sowie der Lokführerstreik im August und September.
Kapazitätsausfälle und das Phänomen des „Inselverkehrens“
Die Kapazitätsausfälle im Gebiet des NVR fielen im Jahr 2021 nur geringfügig höher aus, als in 2020. Neben altbekannten Problemen wie (Außen-)Türstörungen oder defekte Toiletten trat 2021 ein zunehmendes Hindernis auf: das sogenannte „Inselverkehren“. Aufgrund von Baustellen-bedingten Streckensperrungen waren ganze Züge eine Zeit lang auf einem Streckenabschnitt eingeschlossen und konnten daher im Bedarfsfall Werkstätten und Entsorgungseinrichtungen nicht erreichen.
Fahrgastzahlen mit positiver Trendwende, Fahrgastbeschwerden gehen weiter zurück
Der Pandemie-bedingte Rückgang der Fahrgastzahlen setzte sich 2021 fort: Die Zahl der täglichen Einsteiger an Wochentagen im Jahresmittel sank von 277.000 auf 244.000. Aufs Jahr 2021 gerechnet nutzten nur noch etwa 92 Millionen Fahrgäste den SPNV auf dem Gebiet des NVR. Allerdings – und das ist eine wirklich erfreuliche Nachricht – zog die Nachfrage ab Mitte des vergangenen Jahres wieder deutlich an. Diese deutliche Trendumkehr setzt sich 2022 weiter fort.
Mit dem absoluten Rückgang der Fahrgastzahlen sank auch die Anzahl der Fahrgastbeschwerden weiter. Die beiden häufigsten Gründe für Beschwerden waren der Zustand der Stationen sowie Verspätungen und Zugausfälle.
Statistiken zur Fahrgastentwicklung im NVR-Gebiet im Jahr 2021 finden Sie hier.
Signifikante Qualitätssteigerung bei Bahnhöfen und Haltepunkten
Während die Probleme des rollenden Schienenverkehrs 2021 zunahmen, entwickelten sich die Stationen im Rheinland im letzten Jahr wieder positiv und erreichten wieder das Niveau von 2019. 2020 hatte sich die Stationsqualität auch aufgrund der gestiegenen Zahl von Vandalismusfällen, welche unter anderem auf die fehlende soziale Kontrolle durch Fahrgastrückgänge zurückzuführen sein könnte, signifikant verschlechtert. 2021 hat der NVR alle Bahnhöfe und Haltepunkte (bis auf zwei von der Flut betroffene Stationen, welche 2021 nicht erhoben werden konnten) sogar zweimal von den Profitestern kritisch unter die Lupe nehmen lassen im Hinblick auf Merkmale wie die Sauberkeit, den Zustand von Sitzgelegenheiten, Abfallbehältern und Vitrinen oder das Vorhandensein eines Wetterschutzes. Einige Stationen konnten aufgrund der Flutauswirkungen nur einmal bewertet werden. 149 Stationen (entspricht 70%) landeten in der besten Bewertungskategorie („Akzeptabel“), 23 mehr als noch im Vorjahr. Im „Nicht mehr Akzeptabel“-Bereich landeten 2021 nur noch acht Stationen, womit der Zustand von 2019 wieder erreicht ist.
Erfolgreiche Kunstgriffe und zielgerichtete Kommunikation
Um dem Dauerärgernis „Verschmutzung durch Graffitis“ entgegenzuwirken, hat sich eine spannende Idee bewährt: Wo legale „Kunstgraffitis“ installiert werden, halten sich illegale Sprayer zurück. So wurden z. B. im Herbst 2021 am Haltepunkt Duckterath in Bergisch Gladbach die Rampen neugestaltet.
Hier und natürlich auch bei allen anderen Problemfeldern, wie dem Erscheinungsbild von Aufzügen, Gleisbetten und Wetterschutz-Einrichtungen, hat sich der Dialog zwischen dem NVR, Stationsbetreibern, DB Netz, DB Vertrieb und Kommunen bewährt. So konnten eine Vielzahl von Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität realisiert werden und sicherheitsrelevante Mängel umgehend behoben werden.
„Es freut mich, dass diesmal deutlich mehr Stationen in der besten Kategorie gelandet sind. Dies zeigt, dass die gemeinsamen Anstrengungen des NVR und der Stationsbetreiber Früchte tragen. Wir werden weiterhin ein wachsames Auge haben und überall dort, wo es Probleme gibt, mit Rat und Tat zur Verfügung stehen. Um weitere Verbesserungen zu erzielen, wurden gerade Stationen aus dem nicht mehr akzeptablen Bereich in Modernisierungsprogramme aufgenommen. Zudem haben wir mit der DB das Bahnhofsentwicklungsprogramm ins Leben gerufen.“
Den vollständigen Stationsbericht finden Sie hier.